Sewell Lucias – Fahrlernvergnügen:
Ein Erfahrungsbericht
Ich komme aus Süd-Kalifornien und wohne seit 5 Jahren in Berlin. Ich war zu Hause in Amerika immer ein begeisterter Autofahrer; die langen Stecken, die ich alle paar Monate zwischen meiner Heimatstadt Camarillo (einer Vorstadt vor Los Angeles) und Santa Cruz (der Stadt, wo ich auf die Uni gegangen bin) zurücklegte, waren immer sehr schöne Erlebnisse, wo man das Freiheitsgefühl, das durch das Auto gewonnen werden kann, zu schätzen lernt.
Wie viele Amerikaner habe ich auch immer eine große Vorliebe für deutsche Autos gehabt; auf der Uni habe ich mit ein paar Freunden aus Spaß einen „German Auto Club“ gegründet. Das Verein wurde zwar nie offiziell angemeldet – das wäre uns wahrscheinlich zu albern gewesen – aber wir haben uns doch immer wieder getroffen, um Erfahrungen auszutauschen oder uns bei Reparaturen gegenseitig zu helfen.
Mein alter BMW (1989 325is) steht immer noch in unserer Garage in Camarillo, und ich fahre ihn im Januar und Febuar – diese Monate verbringe ich meist in Kalifornien.
Wenn ich zu Hause bin, fragen Freunde mich oft: „Hast du ein Auto in Germany?“ Bis dato habe ich die Frage immer verneinen müssen. Eigentlich eine große Sauerei in der Heimat der Autobahn. Viele zu Hause haben wenig Verständnis dafür. Einige Amis würden sicherlich ohne Zögern der Behauptung zustimmen, dass es zwei gute Gründe gibt, in Deutschland zu wohnen: Weißbier und die Autobahn. Ich würde zwar eine etwas differenzierte Betrachtung der Vor- und Nachteile der deutschen Lebensweise und Gesellschaft befürworten, aber es ist doch etwas Wahres dran.
Obwohl ich etwas stolz darauf bin, dass ich die letzten 5 Jahre ohne Auto in Berlin gut ausgekommen bin – Autofahren kann teuer sein und ist nicht gerade umweltfreundlich; ich finde aber auch die übermäßige Abhängigkeit der Amerikaner an ihren Autos total ätzend –, habe ich im Frühling dieses Jahres entschieden, dass ich in Deutschland doch ein Auto besitzen will. Da amerikanische Führerscheine in Deutschland nach nur 6 Monaten ihre Gültigkeit verlieren, musste ich aber einen deutschen Führerschein machen.
Nach kurzem Suchen bin ich über die Homepage des Einsteigers gestolpert. Ich dachte mir, „die schauen wie nette Leute aus, da fahre ich mal hin“. Thomas hat mich beraten und viel geholfen, die Anforderungen des staatlichen Kraftfahrzeugkontrollorgans besser zu verstehen. Die Theorie-Stunden mit Micha und Bruno waren immer sehr nett gestaltet und unterhaltsam. Beide haben das Interesse der Schüler sehr gut wecken können. Die Bilder und Videos, die während des Unterrichts gezeigt wurden, trugen maßgeblich zur allgemeinen Qualität des Lernerlebnisses bei.
Als ich zur ersten Theorie-Stunde kam, war ich überzeugt, dass ich im Grunde bereits alles über das Autofahren wusste und dass die Unterrichtsstunden lediglich eine Art Sprachunterricht für mich darstellen würden. Meine Überraschung war daher umso größer, als Micha innerhalb von 10 Minuten mehrere Dinge erwähnte, von denen ich nicht die leiseste Ahnung hatte. Micha erklärte, dass beim Abstellen eines Autos auf einer unbeleuchteten Strasse das „Parklicht“ einzuschalten sei – „hä?“ dachte ich, „so was habe ich nie gehört“. Es gibt tatsächlich kein Parklicht an amerikanischen Autos, und die Funktion des Parklichts wird sogar in den englischsprachigen Betriebsanleitungen für deutsche Autos nicht erklärt. Als ich später einem amerikanischen Freund von mir (einem Mitgründer des „German Auto Club“) über das Existenz eines Parklichte an seinem alten 5er BMW in Kenntnis setzte, war er völlig verblüfft.
Nachdem ich die Theorie-Stunden abgelegt hatte, kam das eigentliche Fahren. Da ich meinen Führerschein in Amerika mit 16 Jahren gemacht hatte – also vor 14 Jahren –, dachte ich zuerst, dass ich das Fahren in Deutschland ohne weiteres gut beherrschen würde. Da hatte ich mich aber gründlich getäuscht. Viele Aspekte des Autofahrens sind in Deutschland grundsätzlich anders. Vielleicht der größte Unterschied zwischen Deutschland und Amerika ist die Rechts-vor-links-Regel. In Amerika gibt es diese Regelung nicht. Bei Kreuzungen ohne Ampel gibt es stattdessen immer eine Vorfahrtstraße bzw. Stopp-Schilder an allen Einmündungen. Es war zunächst nicht einfach, meine Fahrweise an Rechts vor Links anzupassen. Man ist einfach nicht daran gewöhnt, dass abbiegende Autos vor einem die Vorfahrt haben können. Dem Amerikaner scheint es wesentlich effizienter, demjenigen Auto Vorfahrt zu gewähren, das schon mit einer gewissen Geschwindigkeit geradeaus fährt. Bei den Fahrten mit Micha habe ich einige Male vergessen, mich ordentlich an Rechts-vor-links-Kreuzungen umzugucken, was immer mit der Bemerkung von Micha quittiert wurde: „Tja, da wärst du schon wieder durch die Prüfung gefallen ! “
Ein weiterer Unterschied zwischen Amerika und Deutschland betrifft die Verhaltenserwartungen, wenn Fußgänger an einer Kreuzung die Straße überqueren wollen. In Amerika muss man immer anhalten, wenn ein Fußgänger schon auf der Rollbahn steht und die Straße überqueren will. In Deutschland dagegen hat das Auto in den meisten Fällen Vorfahrt. Wenn Fußgänger eine Rechts-vor-links-Kreuzung überqueren wollen, haben sie nur Vorfahrt, wenn das Auto abbiegen muss. Ansonsten müssen sie warten, bis die Straße frei ist. Diese Regelung kam mit zunächst sehr fremd vor. Nachdem ich während der Fahrstunden mehrmals an Kreuzungen angehalten hatte, als Fußgänger eindeutig die Kreuzung überqueren wollten – in dieser Situation wäre es in Kalifornien zwingend erforderlich, anzuhalten (siehe folgendes Video ), – hat Micha mir gesagt: „Warum hältst du hier an! Du hast Vorfahrt! Weiterfahren!“ „Darf man aber nicht aus Höflichkeit anhalten?“ fragte ich. „Nein, man sollte nicht,“ konterte Micha. „Wenn du immer anhältst, kann der Verkehr nicht fließen.“ Als ich später meinem Vater darüber berichtete, dass man an Kreuzungen für Fußgänger nicht anhalten muss, hat er gesagt: „Es ist kein Wunder, dass viele die Deutschen nicht mögen! Sie halten für Fußgänger nicht an!“ (Eigentlich mag mein Vater die Deutschen ganz gerne. Das Nicht-Anhalten für Fußgänger ist aber eine Regelung, die man sehr seltsam findet, wenn man jahrelang in Amerika gefahren ist).
Verglichen mit Amerika sind die Fahrscheinprüfungskriterien in Deutschland sehr streng.
In Amerika hatte ich meinen Führerschein an einem einzigen Tag erworben. Es gab keine 11-wöchige Wartezeit, in der man sich zuerst auf die Zulassung zur Fahrprüfung bewerben musste. Ich bin mit 16 einfach zur Behörde gefahren und habe die theoretische Prüfung schnell bestanden (sie besteht aus 40 relativ einfachen Multiple-Choice-Fragen, wobei immer nur eine Antwort richtig ist, und man kann bis zu 8 Fragen falsch beantworten). Die praktische Prüfung erfolgt direkt nach der theoretischen, und man fährt in seinem eigenem Auto allein mit dem Prüfer. Bei mir dauerte die praktische Prüfung ungefähr 7 Minuten. Wir sind einfach in dem umliegenden Gewerbegebiet mit breiten Straßen ein wenig gefahren, und das war es dann, Prüfung bestanden.
Wie gesagt ist es alles in Deutschland in bisschen strenger. Ich hatte gut aufgepasst während der Unterrichtsstunden und dachte daher, dass ich wie in Amerika die theoretische Prüfung leicht bestehen würde, ohne zusätzlich lernen zu müssen. Wieder hatte ich mich mächtig getäuscht. An dem Tag, als ich zur DEKRA fahren wollte, um die theoretische Prüfung zu machen, habe ich zuerst bei der Fahrschule einen Übungstest gemacht und bin krass durchgefallen. Dieses Durchfallen war umso bitterer, da zwei 18-Jährige vor und nach mir auf dem Übungscomputer den Test bestanden – ohne einen einzigen Fehler zu machen. „Verdammte Streber“, dachte ich. Ziemlich entsetzt über die schwierige Prüfung bin ich nach Hause gegangen und habe eine Woche lang gepaukt.
Viele Fragen kamen mir dabei ziemlich irrsinnig vor. Eine Frage zum Beispiel lautet: „Wozu kann Power-Sound im Auto führen?“ Der Begriff „Power-Sound“ ist tatsächlich kein richtiges Englisch – und auch kein richtiges Deutsch. Was hat er dann in einer amtlichen Prüfung zu suchen? Bei einer anderen Frage wird ein Bild von einer Baustelle und ein paar vorbeifahrenden Autos gezeigt. Die Frage lautet: „Worauf müssen Sie sich einstellen? 1) auf Arbeiter und Baugeräte auf der Fahrbahn, 2) Auf eine unebene und verschmutzte Fahrbahn, 3) Auf einen durch Polizei geregelten Verkehrsablauf“. Obwohl alle drei Antworten m.E. richtig sind, sind nur die ersten zwei anzukreuzen. Ich habe Thomas erklärt, dass es in Kalifornien oft vorkommt – v. a. bei Bauarbeiten auf der Autobahn –, dass die Polizei zur Sicherung einer Baustelle im Einsatz ist. Aber in Deutschland anscheinend nicht.
Eine andere Frage, die mich tierisch genervt hat – es wird ein Bild von einer dunklen Straße gezeigt –, war diese: „Warum kann das Befahren dieser ungleichmäßig beleuchteten Straße gefährlich werden? 1) Weil Fußgänger, die in einem Dunkelfeld die Straße überqueren, leicht übersehen werden können, 2) Weil entgegenkommende Kraftfahrzeuge erst spät zu erkennen sind, 3) Weil schlecht beleuchtete Fahrzeuge in den Dunkelfeldern schwer zu erkennen sind “ . Obwohl ich alle drei Ankreuzmöglichkeiten für richtig halte, sind nur die erste und dritte korrekt. Aber warum? Auf einer schlecht beleuchteten Straße könnte es natürlich vorkommen, dass entgegenkommende Fahrzeuge spät zu erkennen sind. Eine aktuelle Gerichtsentscheidung, wovon ich neulich gelesen habe, stützt diese Ansicht: Ein Autofahrer hatte auf einer schlecht beleuchteten Straße einen Motorradfahrer, der versehentlich ohne Licht fuhr, umgefahren. Der Gericht hat den Autofahrer als teilschuldig befunden, da er wegen der schlechten Sichtverhältnisse besser hätte aufpassen müssen – trotz der Tatsache, dass der Motorradfahrer ohne Licht fuhr. Daher ist die Behauptung, dass bei dieser Frage die zweite Antwort nicht richtig ist, unzutreffend. Man muss laut Gerichtsentscheid damit rechnen, dass Fahrzeugfahrer ohne Licht fahren, was bei unterbrochener Straßenbeleuchtung auf alle Fälle dazu führen kann, dass entgegenkommende Fahrzeuge schlecht zu erkennen sind. Diese Frage soll eigentlich aus dem Fragenkatalog gestrichen werden.
Obwohl manche Fragen der theoretischen Prüfung eindeutig verbesserungsfähig sind, halte ich es für eine gute Sache, dass die Prüfungsbestimmungen in Deutschland sehr streng sind. Die mit dem Autofahren verbundene Verantwortung sollte nicht unterschätzt werden, und es ist eigentlich eine Schande, dass in Amerika nicht ausreichend getestet wird, ob man sicher fahren kann oder nicht – eine Tatsache, die wahrscheinlich schon einige Menschen das Leben gekostet hat.
Am 17.08.09 habe ich mit Bruno die praktische Prüfung bestanden. Es war mir nach der Prüfung erstmal unklar, ob ich überhaupt bestanden hatte. Ich war während der Prüfung einmal über ein Stopp-Schild gefahren, wobei ich anscheinend nicht vollständig angehalten hatte – das hat dem Prüfer offensichtlich nicht gefallen. Einige Minute danach habe ich wohl den toten Winkel etwas zu spät gecheckt, bevor ich auf den anderen Fahrstreifen rübergezogen habe, eine Aktion, die mit der Aussage „Jetzt keinen Quatsch machen!” vom Fahrprüfer quittiert wurde. Als er mir anschließend befohl, rechts ranzufahren, dachte ich zuerst, „Manno, vielleicht bist du hier durchgefallen“. Der Fahrprüfer hat zunächst nichts gesagt, nur ein paar Notizen gekritzelt, was die Spannung richtig schön ansteigen ließ. Bestanden habe ich aber doch – dank Micha, Bruno and Thomas.
Abschließend möchte mich noch einmal ganz herzlich bedanken für die tolle Zeit bei der besten Fahrschule Berlins! Der Unterricht war top, Thomas war im Büro stets sehr hilfreich, und Bruno und Micha waren immer sehr nett und geduldig bei den Fahrstunden. Vielen, vielen Dank!!
Euer Lucais
In Amerika benutzt man den Begriff „parking lights“, um auf das Standlicht hinzuweisen. Einen entsprechenden Begriff für „Parklicht“ gibt es aber nicht, was etwas verwirrend ist. In Wörterbüchern wird der Begriff „parking lights“ als Übersetzung für „Standlicht“ sowie „Parklicht“ angegeben, obwohl das zwei verschiedene Dinge sind.